Miriam saß auf der Schaukel im Garten und summte vergnügt vor sich hin.
Großvater Valentin hatte es sich mit einem Buch auf der gemütlichen Gartenliege bequem gemacht.
Aber die Ruhe war nicht von langer Dauer und schon war eine neue Frage auf Miriams Lippen:
„Opa, warum heißen die Marienkäfer auch Glückskäfer ?“
Valentin dachte kurz nach und sagte dann schmunzelnd:
„Ich erzähle Dir eine Geschichte, dann weißt Du warum.
Es war an einem x beliebigen Tag, als das kleine Glück auf einer Wiese saß und betrübt den Kopf hängen ließ.
„Was hat das alles nur für einen Sinn, wenn immer mehr Menschen unglücklich sind,“ sinnierte es.
„Ich höre die Menschen sagen: Wenn ich mir dieses schöne Haus am Meer kaufen könnte, dann würde es mir besser gehen, dann könnte ich endlich durchatmen und müsste nicht in dieser lauten Stadt leben.Wenn ich nur öfter in Urlaub fahren könnte, dann hätte ich mehr Kraft und Lebensfreude, aber ich muss hier zu Hause bleiben, weil ich es mir nicht leisten kann. Wenn ich weniger arbeiten müsste, dann hätte ich auch mal Zeit für meine Hobbys, aber die Arbeit lässt mir keinen Raum und abends falle ich dann nur noch todmüde ins Bett.
Ach, ich höre jeden Tag immer wieder neue Klagen, es nimmt einfach kein Ende!“
Der Marienkäfer Paul hatte von seiner Grasschaukel aus das Kleine Glück eine ganze Weile beobachtet. Es bot einen jämmerlichen Anblick und Paul beschloss nun, dass es höchste Zeit wurde einzugreifen, denn wenn das kleine Glück nun schon selbst unglücklich wurde, wie sollte es dann weiter gehen? Es würde sich früher oder später ganz auflösen und aus der Welt verschwinden.
Nein, das durfte auf keinen Fall geschehen! Das musste sofort verhindert werden!
Also startete Paul voller Tatendrang und landete in diesem Moment mit Schwung direkt auf der Nase des kleinen Glückes. Dabei kitzelten seine winzigen Beinchen das Kleine Glück so sehr, dass es heftig niesen musste. Der Käfer wurde durch diesen Ruck von der Nase katapultiert und purzelte direkt vor die Füße des kleinen Glückes. Weil er auf seinem Rücken gelandet war, strampelte Paul eine Weile unbeholfen mit seinen Beinchen.
Das kleine Glück putzte sich die Nase und wurde dann auf den Käfer zu seinen Füßen aufmerksam.
Paul hatte es indessen fast geschafft und benötigte nur noch einige wenige Strampelbewegungen, um sich schließlich wieder aufzurappeln. Diesen Anblick fand das kleine Glück so vergnüglich, dass es herzhaft lachen musste.
Paul registrierte stolz und erleichtert die Wirkung seines gelungenen Auftrittes. „Ach du meine Güte, dass ist ja gerade noch mal gut gegangen, es wurde aber auch höchste Zeit, dass du wieder zu dir selber findest, liebes Glück“ , sagte Paul. „Ich hatte dich fast nicht mehr erkannt, als ich dir von meiner Schaukel aus zuschaute. Was war denn bloß los mit dir?“
Das kleine Glück erzählte Paul was es betrübt hatte und es endete mit den Worten: „Wie bin ich froh, dass du mir geholfen hast, du bist ein richtiger Glückskäfer.“ Als es seine Rede beendet hatte, stutzte es einen Moment und dann kam ihm die rettende Idee: „Weißt du Paul, mir ist jetzt klar geworden, warum so viele Menschen unglücklich sind. Ihnen geht es genauso, wie es mir gerade ergangen ist, kurz bevor du bei mir gelandet bist. Sie sind so beschäftigt, mit dem was sie unglücklich macht, dass sie gar nichts anderes mehr sehen können. Sie glauben, dass sie erst dann glücklich sein könnten , wenn alles nach ihren Vorstellungen läuft und sitzen da und warten tagein tagaus auf das große Glück und sehen mich, das kleine Glück überhaupt nicht, obwohl ich immer und überall da bin.
Ich glaube, lieber Paul, dass du und deine Freunde mir sehr gut helfen könnt, denn die Menschen brauchen dringend etwas, dass sie von den trübsinnigen Gedanken ablenkt, damit sie mich wieder sehen können. Gemeinsam kann es uns sicher gelingen, die Menschen wieder glücklich zu machen.“
Seither sind Paul und seine Freunde mit Feuereifer am Werk. Emsig schwingen sie ihre zarten Flügelchen und suchen die Nähe der Menschen.
„Also, meine kleine Miriam“, endete Großvater mit seiner Geschichte, „wenn du wieder einmal einen Marienkäfer siehst, dann weißt du, dass er dich auf das kleine Glück aufmerksam machen möchte.“