Der kleine bunte Stern
Es war einmal ein sehr sehr kleiner Stern. Er war der Kleinste in seinem Sternenhaufen. Schon viele Millionen Jahre strahlte er neben seinen Sternengeschwistern. Diese nahmen ihn aber nicht ernst, weil er so winzig war. Den lieben langen Tag schwatzten und lachten sie miteinander und hatten Wichtigeres zu tun, als sich mit dem Winzling zu befassen.
Ihr Lieblingsbeschäftigung war es, sich vom Glanz der Sonne, dem größten aller Sterne bescheinen zu lassen. Sie wurden nicht müde ihr nachzueifern und verbrachten daher die meiste Zeit des Tages damit, sich gegenseitig ihre Strahlen zu polieren.
Den winzig kleinen Stern störte es eigentlich gar nicht, dass er nicht beachtet wurde, denn er schaute sehr gerne auf die Erde hinunter und beobachtete was da vor sich ging.
Die größte Freude bereitete es ihm, wenn er durch die Fenster in die Häuser der Menschen blicken und Anteil an ihrem Leben nehmen konnte.
Unermesslich viele Stunden hatte er damit schon zugebracht.
Ein besonderes Vergnügen bereitet es ihm, wenn er die Kinder beobachtete, wie sie ausgelassen lachten und spielten, da hüpfte auch in ihm sein kleines Sternenherz vor Freude.
Aber er sah auch die traurigen Ereignisse und da wurde ihm sein Herz schwer.
So konnte es mit den Jahren geschehen dass sich sein Aussehen veränderte.
Er erstrahlte nicht mehr in einem makellosen Glanz, weil alle Farben des Lebens sich nun in ihm spiegelten, nicht nur die hellen und strahlenden, sondern auch die dunkeln und matten.
Seine Sternengeschwister hatten die Veränderung lange nicht bemerkt, zu sehr waren sie damit beschäftigt ihre Größe und ihr Strahlen miteinander zu vergleichen. Eines Tages aber schaute einer von ihnen den Kleinen fassungslos an und stupste den Stern neben sich in die Seite: „Schau dir mal den Winzling an, der sieht merkwürdig aus, irgendwie schmutzig und gar nicht schön.“
Als die anderen Sterne im Sternhaufen darauf aufmerksam wurden, begannen auch sie abfällig über ihn zu reden. „Was schaust du auch die ganze Zeit auf die Erde herunter, kein Wunder das du so glanzlos geworden bist. Wir Sterne sind dazu bestimmt, unseren Glanz zu pflegen.“
Der winzig kleine Stern wurde traurig als er die Worte der anderen Sterne hörte, die aber schon bald wieder das Interesse an ihm verloren und sich ihrer Glanzpflege widmeten.
Dann kam er, der Abend an dem etwas ganz Besonderes geschah.
Der kleine bunte Stern schaute wie schon an den vergangenen Abenden in das Fenster von Florian, der auch heute wieder in seinem Zimmer saß und weinte.
Seine Mutter kam herein und nahm ihn tröstend in den Arm.
Florian wollte sich gar nicht beruhigen lassen.
Der kleine bunte Stern wusste, warum der Junge so untröstlich war. Vor nicht allzu langer Zeit war er mit seinen Eltern neu in diese Stadt gezogen und war sehr einsam, weil er einfach noch keine Freunde gefunden hatte. In seiner Klasse fühlte er sich fremd und unwohl.
Zu allem Unglück war vor zehn Tagen seine kleine Katze Maunzi von einem Auto überfahren worden und fortan war es nur noch dunkel in ihm. Alle Freude und Hoffnung hatte er verloren.
An diesem besonderen Abend beobachtete der kleine bunte Stern wie Florian von seiner Mutter an das Fenster geführt wurde und wie sie mit ihrer Hand nach oben zum Sternenhimmel zeigte. Er hörte wie sie zu ihm sprach: „Sieh nur, wie schön die Sterne heute strahlen.
Florian wandte seinen Blick nach oben. Eine ganz Weile hatte er den Sternenhimmel angeschaut und dann plötzlich entdeckte er unter all den glänzenden Sternen diesen einen winzig kleinen ganz besonderen Stern, der alle Farben des Lebens trug und dessen Licht durch Hell und Dunkel hindurch zu strahlen vermochte.
In diesem Moment wurde Florian sonderbar berührt. In seinem Herzen fühlte er eine sanfte Wärme und Florian ließ den kleinen bunten Stern eine lange Zeit nicht aus den Augen.
Da geschah es, dass sich die Farben des Lebens auch in seiner Seele spiegelten und das durch das Dunkel seines Herzens ein zarter Strahl zu leuchten begann. Es war als wenn das Samenkorn der Hoffnung sich öffnete und ganz sachte seine Wurzeln entfaltete.
In Florians Gesicht zeichnete sich ein sanftes Lächeln, das von der Ahnung gespeist wurde, dass die Traurigkeit nicht ewig verweilen konnte und die Fröhlichkeit wieder Einzug halten würde.
Dieses Erlebnis machte den kleinen bunten Stern sehr glücklich und nun wusste er, dass er dazu bestimmt war, eine ganz besondere Botschaft auszustrahlen.
Wenn du deine Herzensaugen öffnest, kannst auch du ihn erkennen, diesen ganz besonderen winzig kleinen bunten Stern, der dich daran erinnert, dass das Leben alle Farben trägt, und dass das Licht auch durch die Dunkelheit hindurch scheint.
Beate Neufeld