Kennt ihr Salzteig, den man zum Basteln anstelle von fertig gekaufter Modelliermasse verwendet? Dumme Frage, denkt ihr jetzt sicher, wer kennt den nicht? Aber wisst ihr auch wer ihn erfunden hat? Ja, jetzt hab ich euch. Da müsst ihr passen, hab ich Recht?
Aber ich kann eure Wissenslücke schließen, ja da staunt ihr nicht schlecht, oder?
Ich habe den Salzteig nämlich selbst erfunden, im Alter von etwa 6 Jahren, jawoll!
Und das ganz zufällig und absichtslos.
Nun wollt ihr sicher wissen, wie das geschehen konnte? Ich will es euch erzählen.
Schon von klein auf habe ich meiner Mutter, die ausgezeichnet gerne und gut kochen und backen konnte, mit Vorliebe zugeschaut wie sie in unserer Küche herumwirbelte und auf wundersame Weise die leckersten Köstlichkeiten zauberte.
In der Weihnachtszeit zog mich der Duft von frisch gebackenen Plätzchen wie magisch an und weil ich mit großer Aufmerksamkeit bei der Sache war, dauert es gar nicht lange, bis ich erkannte, dass das Ganze gar keine Hexerei war. Eigentlich war es ein Kinderspiel den Teig für die Plätzchen herzustellen, wenn man nur wusste, welche Zutaten benötigt wurden. Und so kam der Tag an dem ich mir meiner Fähigkeit die Plätzchen alleine auf das Blech zu bringen vollkommen sicher war. Nur vor der Betätigung des Backofens hatte ich Respekt. Da ich mir genauso sicher war, dass eine voreilige Frage mein Backvergnügen gefährden würde, beschloss ich im Alleingang die ersten Schritte zu bewältigen und wenn die Plätzchen fertig zum Backen auf den Blechen lägen, würde meine Mutter sich, da war ich mir sicher, vor lauter Staunen nicht erwehren können das Gebäck zur Vollendung in den Ofen zu schieben.
Meine kindliche Diplomatie ließ mich nicht im Stich, mein Plan ging auf und die Plätzchen lagen schließlich perfekt, wie gemalt zum Auskühlen auf dem Rost.
Mit stolz geschwellter Brust betrachtete ich mein Werk und konnte es kaum erwarten, davon zu kosten.
Aber oh weh, das dicke Ende folgte auf dem Fuß. Der erste Biss katapultierte mich innerhalb vom Bruchteil einer Sekunde auf den Boden der Tatsachen: Was ich da fabriziert hatte, konnte zwar dem Augenschein nach mit der Backkunst meiner Mutter durchaus konkurrieren, aber es schmeckte einfach scheußlich: Steinhart und nur nach Salz, sonst nichts! Das Allerschlimmste aber war die Reaktion meiner Mutter, der nachdem sie probiert hatte bewusst wurde, dass ich ihre mütterliche Autorität, wenn auch mit entwaffnendem kindlichen Charme, untergraben hatte.
Daher folgte die pädagogische Konsequenz unmittelbar und hing nach meinem Empfinden für nicht enden wollende Stunden wie ein Damoklesschwert über meinem Kopf:
Die Plätzchen sollten nach dem Beschluss meiner Mutter nämlich keineswegs im Müll landen sondern von mir gegessen werden.
Ich sehe mich heute noch zusammengesunken und jämmerlich vor der Heizung sitzen, über der auf dem Fensterbrett die Plätzchen aufgereiht lagen. Ich zählte sie im Geiste wieder und wieder, aber es wollten einfach nicht weniger werden! Verzweifelt biss ich erneut in das erste Plätzchen, aber der Geschmack hatte sich nicht verändert.
Was hätte ich jetzt um die Hilfe einer guten Fee gegeben, die den Fluch den mein Irrtum mir eingebracht hatte, aufheben – und das Salz aus den Plätzchen mit Zucker ersetzen würde.
Aber nichts dergleichen geschah. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit erlöste mich meine Mutter, nachdem sie mir das Versprechen abgenommen hatte, mich nie mehr ohne sie davon zuvor in Kenntnis gesetzt zu haben auf eigene Faust in der Küche zu betätigen.
Erst viele Jahre später wurde das Werkeln mit Salzteig zum Trend. Ich erinnere mich noch an Adventskränze aus Salzteig, die kunstvoll mit Blüten und Blättern verziert waren.
Insgeheim ärgerte ich mich fast ein wenig, dass ich, obwohl ich die eigentliche Erfinderin dieses Teiges bin, diese Innovation nicht erkannt hatte.
(C) Beate Neufeld
Ein Erlebnis aus meiner Kindheit