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Channel: Beate Neufeld – Plauderpause
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Baldurs Weg durch die Dunkelheit

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Es war in einer Zeit als in der Welt die Angst und mit ihr die Dunkelheit immer mehr zunahm und übermächtig erschien. Kaum ein Mensch konnte die Hoffnung aufrecht erhalten und daran glauben, dass das Licht der Liebe die stärkste Kraft ist und sich alles zum Guten wenden würde.

So kam es, dass selbst Baldur, dessen Eltern diesen Namen ausgewählt hatten, damit ihm niemals der Mut ausgehen solle, vollkommen verzweifelt war. 

Er sah keinen Ausweg mehr. Die Last des Lebens lag wie Blei auf seinen Schultern.

Eines Tages lief er schweren Schrittes seinen Weg nach Hause, als er plötzlich und unvermittelt innehielt. 

Eine dünne Stimme streifte sein Ohr, sie war so zart wie eine Flaumfeder, so dass ihre Worte wie im Windhauch verhallten. Er hob seinen Blick, konnte aber nicht sehen, wer zu ihm gesprochen hatte. 

Noch einmal erklang das zerbrechliche Stimmchen und dieses Mal vernahm er die Worte: „ Hallo Baldur, ich bin Nadja, mein Name bedeutet Hoffnung.“

„Hoffnung?, fragte er zweifelnd, „für mich gibt es keine Hoffnung, die habe ich längst verloren.“

„Aber ich bin hier“, erwiderte Nadja, „ganz nah bei dir, sonst könntest du mich doch nicht hören!“

Baldur winkte ab: „Ach hören, das ist doch kein Beweis, ich glaube nur was ich sehen kann!“

„Aber ich bin nun einmal unsichtbar!“ wandte Nadja ein.

Daraufhin wurde Baldur misstrauisch: „Dann kannst  du nicht die echte Hoffnung sein, du willst mich doch täuschen!“

„Wie kommst du denn auf diese Idee, hast du mich, die Hoffnung denn jemals gesehen?“, fragte ihn Nadja.

Diese Frage machte Baldur dann eine ganze Weile sprachlos. Er dachte sehr lange darüber nach. Tatsächlich konnte er sich ganz schwach an Zeiten seines Lebens erinnern, die mit Hoffnung erfüllt gewesen waren. Und schließlich musste er sich eingestehen, dass diese Hoffnung niemals sichtbar vor seinen Augen gestanden hatte, sondern eine unsichtbare Begleiterin gewesen war. 

„Tut mir Leid, ich habe dir Unrecht getan, ich glaube dir nun, dass du es bist, die Hoffnung, die ich verlor. Aber auch wenn du hier bist, so kann ich dich dennoch nicht spüren. Meine Angst ist übergroß, ich kämpfe Tag um Tag gegen sie an, damit es endlich wieder leichter wird, aber ich habe bald keine Kraft mehr. 

Meine Lage ist aussichtslos. Es scheint mir so, als ob die Dunkelheit alles Licht in ihrem rabenschwarzen Rachen verschlungen hat. Ich irre umher und kann keinen Weg mehr finden, der mich hinaus führt.

Nadja sah ihn sehr lange und voller Mitgefühl an und schließlich sprach sie:

„Baldur, ich kenne deine Angst, ich verrate dir nun ihren Namen, sie heißt Angustia. Höre auf gegen sie zu kämpfen Baldur! 

Wenn du sie ganz nah an dich heran lässt, so nah wie ich dir bin, dann können wir, die Hoffnung und die Angst, uns umarmen.“

Baldur wusste nicht wie ihm geschah. In dem Moment, als ihn die Kraft zu verlassen schien, gab er die Abwehr auf und sah zum ersten Mal seiner Angst ins Gesicht. 

Zu seinem fassungslosen Erstaunen erschien sie ihm gar nicht mehr ganz so riesig wie er sie sich vorgestellt hatte und je näher er sie an sich heran ließ, desto kleiner wurde sie. In dem Moment als sie ganz bei ihm angekommen war umarmten sich Nadja und Angustia. 

Baldur spürte in diesem Augenblick neue Kraft in sich einströmten. Er richtete sich auf, die Schleier um seine Augen lichteten sich wie davon ziehende Nebelschwaden und er konnte sehen, dass in der Umarmung von Hoffnung und Angst ein Licht geboren wurde. 

Es war zwar winzig klein, aber dennoch konnte die Dunkelheit sich in seiner Nähe nicht halten und wurde von ihm erleuchtet. 

Baldur wusste nun, dass dieses Licht der Liebe ihn begleiten würde. 

Hoffnungsvoll setzte er seinen Weg durch die Dunkelheit fort. Das Licht reichte aus, um seinen Weg jeweils für den nächsten Schritt zu erleuchten und das war alles was er brauchte. 

(C) Beate Neufeld

       17.12.2020


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